“Das Leben ist keine formal ausgereifte Komposition”

Laudatio von Christian Hof zu POESIE & ANARCHIE von Uwe Neuhaus (8.1. – 7.2.16):

Im Januar 2009 hatte ich die Möglichkeit in der Berliner Nationalgalerie die international beachtete Ausstellung „Das Universum Klee“ mit 250 Meisterwerken von Paul Klee zu sehen. Die große Dichte an unterschiedlichsten Bildern im Untergeschoß der Nationalgalerie war berauschend. Eng gehängt, mit unglaublich vielen Facetten hatte mich die Schau plötzlich ein wenig an Uwe Neuhaus erinnert.


Vielseitig & verträumt
Wer jetzt meint, der Vergleich zwischen diesen beiden Malern wäre etwas hoch gegriffen, der hat natürlich Recht. Uwe Neuhaus ist ganz sicher ein versierter und ideenreicher Maler, aber 250 Meisterwerke –  gemessen am internationalen Kunststandard – hat er noch nicht geschaffen. Dennoch sind Uwe Neuhaus‘ Bilder in ihren Erzählungen genauso vielseitig und verträumt – in der Kunst von heute eine Besonderheit, die es wert ist, genauer beleuchtet zu werden.

_DSK4431_DxO_wGlück fürs Allgäu
Uwe Neuhaus wurde 1942 in Mittenwald geboren, von 1959 bis 1969 durchlief er Stationen an der Fotoschule München, der Akademie für das graphische Gewerbe und natürlich der Akademie der Bildenden Künste München bei Prof. Max Zimmermann. Als 27-Jähriger hatte er bereits sämtliche Ausbildungsstationen hinter sich, inklusive seiner eigenen „Galerie Neuhaus“ in München. Zum Glück fürs Allgäu entschied er sich aber 1970 dazu, nach Opprechts zu ziehen.


Tausende von Arbeiten
Seit 1975 finden dort jährlich seine weit über die Region hinaus bekannten Kunsthof-Ausstellungen statt. Uwe Neuhaus ist natürlich jedes Jahr selbst mit seinen eigenen Bildern vertreten, jedoch stets mit neuen Bildgeschichten, überraschenden Materialien und immer unter einem anderen poetischen Thema: “Aus dem Augenblick”,  “Kleine Dimensionen”, “Farbwasser”, “Postgeheimnisse”, “Drei Tage und ein paar dazwischen”, “Flecken schlecken” usw. In 40 Jahren sind auf diese Weise sehr viele Bilder entstanden. Von Paul Klee sind ja unglaubliche 9000 Einträge in seinem  Werkverzeichnis erfasst, Uwe Neuhaus kommt aber sicherlich auch auf mehrere 1000 Arbeiten.

_DSK4438_DxO_wBühnenbilder & Dialoge
Niemand im Allgäu betreibt Kunst so unbedarft und träumerisch wie Uwe Neuhaus. Er malt einfach wie er will, was er will, wann immer er will, und beugt sich dabei nie vorherrschendem Geschmack oder Ansprüchen oder Meinungen. Uwe Neuhaus könnte alle nur erdenklichen Dinge malerisch detailgetreu aus seinem Kopf über die Hand in den Pinsel fließen lassen. Er hat aber seinen ganz eigenen Ausdruck entwickelt, eine erzählende Bildsprache, die oft an opulente Momente aus der Welt des Theaters erinnert, an Bühnenbilder, an improvisierte Dialoge, an unbekümmerten Mut zum Wagnis. Aus Landschaften wachsen Gesichter heraus, Abstraktes formt sich zu Gegenständlichem, kleine Zeitungsfetzen werden an ihren ausgefransten Rändern mit phantasievollen Zeichnungen weitererzählt.

Aber mit Herz!
Es kommt hinzu, dass sich die Bilder selbst mit den Jahren immer wieder verändern können. Uwe Neuhaus malt nicht selten an seinen Bildern weiter, auch wenn sie schon einmal ausgestellt oder dokumentiert worden sind. Da muss man sich als Sammler zeitnah entscheiden – genauso wie im Leben. Das ursprüngliche Werk „Bitte übermale mich nicht“, in der Ausstellung nur noch als Fotografie zu sehen, hat diesen Umstand nicht nur augenzwinkernd zum Thema gemacht – nein es wurde natürlich doch noch übermalt, aber mit Herz! Die romantische Seite in uns Menschen wünscht sich ja oft ein Happy End.

_DSK4461_DxO_w“weil ich ja ich bin”
Uwe Neuhaus beschäftigt aber die Frage, wie die Geschichte der Helden nach dem finalen eng umschlungenen Kuss auf der sprichwörtlichen Leinwand weitergeht. Welchen Träumen sie nachjagen, welche Sorgen sie plagen, was für Unsinn sie manchmal von sich geben …. In solchen Momenten wird Unmögliches möglich, oder um es in Uwes eigenen Worten auszudrücken: “Dann sah ich diese Figur, weil ich ja ich bin!” Uwe Neuhaus zaubert Arbeiten, die gerade durch ihre ungewöhnliche Andersartigkeit herausstechen. Formale Gesichtspunkte müssen sich bei ihm oft seiner eigenen Sicht auf die erzählte Geschichte unterordnen, und das macht es Kunstkritikern und Kunsthistorikern in der Region manchmal nicht leicht.

Takt des Lebens
Dieser kritische Wunsch nach dem künstlerischen Ausdruck in perfekter Form macht nicht immer Sinn und darf auch mal hinterfragt werden. Das Leben ist nun mal keine formal ausgereifte Komposition, keine strukturiertes Theaterstück in fünf Akten, keine durchkomponierte Fuge und auch kein lyrisches Sonett. Das ist gut so, denn: Das Leben erhält seinen Takt aus den vielen zufälligen Herzschlägen des Glücks in uns allen.

Spiegel der weiten Welt
Genau hier liegt das Geheimnis von Uwe Neuhaus‘ Bildern: Seine vielen Malereien, Zeichnungen, Collagen und Aquarelle sind in ihrer Vielfalt ein Spiegel der ganzen großen weiten Welt. Unserer gemeinsamen Welt, mit ihren schönen Momenten und traurigen, mit Alltäglichem und Besonderem, mit Zauberhaftem und Banalem. Kompakte Szenarien voll von kuriosen Sinnbrüchen – amourös aquarellierte Alltagsgeschichten – luftig leichte Lebensansichten – Humorvolles, Herzliches und Hintersinniges: Uwe Neuhaus malt dies nicht nur für uns alle, in seinen Bildern dürfen wir uns auch selbst wiederfinden. Vermutlich gibt es für jeden von uns ein ganz persönliches „Neuhaus-Bild“, das es nur zu entdecken gilt.

Herz > Lächeln.
Ich bewundere und schätze in der großen Kunst das „Universum Klee“, aber ich liebe und staune mehr über das für uns alle greifbare „Universum Neuhaus“. Die Bildende Kunst will manchmal zu viel. Uwe Neuhaus will nur, dass seine Bilder ein kleines Lächeln erzeugen. Dafür braucht es keine „großen Gesten“ sondern einfach nur ein großes Herz.

Dass genau diese erzählerische Qualität in seinen Werken steckt, das ist den Allgäuer Kunstkritikern und Juroren erst sehr spät eine Anerkennung wert gewesen. 2013, also erst mit 71, hat er seinen ersten Kunstpreis gewonnen – den des Landkreises Oberallgäu – ein Jahr später den renommierten Magnus-Remy-Kunstpreis. Ich wünsche meinem Freund Uwe Neuhaus, dass noch viele Auszeichnungen dazukommen.

Christian Hof, im Januar 2016

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