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Unser Konzept für‘s Kunst-Erlebnis

Unser Ziel ist, über die nächsten Jahre eine wachsende „artig“, vielleicht ab 2011 auch als Biennale, zu einem festen Bestandteil des kulturellen Lebens in der Region und zu einer innovativen wie inspirierenden Kunst- und Kulturmarke über die Region hinaus zu führen – für jung wie für alt.

Darin hat uns der Zuspruch schon zur ersten artig’09 von Seiten des Publikums, der Prominenz des hiesigen Kulturbetriebes wie der Sponsoren bestätigt. Ein „Chapeau!“ vom Kemptener Theaterdirektor Peter Baumgardt im Gästebuch oder „Eine Bereicherung für Kempten. Weiter so!“ von Klaus-Peter Mayr, Kulturredaktionsleiter der Allgäuer Zeitung seien stellvertretend für zahllose ähnliche Aussagen genannt. Selbst viele Monate später wurden wir immer wieder auf die artig‘09 angesprochen und hörten nur positives.

Im November 2009 waren der Allgäuer Zeitung die Besucherzahlen der Festwochenausstellung in Kempten (2.900 Besucher in fünf Wochen), der Südlichen (Sonthofen,  2.100), der Westallgäuer Kunstausstellung (Lindenberg, 1.900) oder der Ostallgäuer Kunstausstellung (Marktoberdorf, 910)  von 2008 zu entnehmen; die artig‘09 mit ca. 1.900 Besuchern in neun Tagen könnte man bereits ganz oben einsortieren, sofern man diese unterschiedlichen Veranstaltungen vergleichen möchte. Dass wir die Konzertbesucher mitzählen, ist kein statistischer Taschenspielertrick, da diese Veranstaltungen bewusst nicht neben sondern innerhalb der Kunstausstellung stattfinden. Und diese wird von den Abendbesuchern gut angenommen.

Der große Zuspruch jedenfalls ist uns Auftrag zugleich. Dessen Umsetzung in konkrete Taten aber bedarf natürlich eines entsprechenden Etats, einer wie auch immer gearteten Förderung oder Unterstützung sowie nebst einer optimalen Außenkommunikation auch eine breite Berichterstattung in der Presse, auf die wir in Anbetracht unseres weit gefächerten, attraktiven Konzeptes große Hoffnungen setzen.

Ist- und Sollzustand von Kulturangebot und Kulturarbeit

Die öffentlichen Hand und ihre festen kulturellen Einrichtungen haben, auch in Anbetracht enger werdender finanzieller Spielräume, weder die alleinige Aufgabe noch Verantwortung, für das kunst- und kulturschaffende Leben sämtliche Räume und Plattformen zu schaffen. Künstler wie Kunstinteressierte sind selbst und noch mehr als früher zu bürgerschaftlichem Engagement und zu Eigeninitiative aufgerufen, um Orte und Spielräume für kunstschaffendes Leben, um Treffpunkte zum Austausch von Künstlern untereinander sowie mit Rezipienten zu schaffen. Es wäre ein fahrlässiges Missverständnis, gerade die ebenfalls künstlerische und innovative Ausgestaltung dieser Räume nur Verwaltungen und Behörden aufzutragen, denn eine Kulturgesellschaft wächst und wandelt sich nicht von oben verwaltet oder organisiert, sondern aus jeglicher Initiative all ihrer Mitspieler, das heißt von frei getragenen wie von öffentlich finanzierten Kulturakteuren.

Dies bedeutet nun aber nicht, beides kategorisch zu trennen, sondern vielmehr zu verzahnen: Denn eine Förderung solcher frei getragenen Initiativen durch öffentliche Gelder schafft – gerade auch in Anbetracht schrumpfender Etats – immer noch ein Mehr an kulturellem Angebot, als wenn diese öffentlichen Gelder ausschließlich zur kostenintensiveren vollumfänglichen Bewirtschaftung und Bewerbung eigener Angebote verwendet werden würde.

Der Wille zur Kulturarbeit, das heißt den Menschen Kunst und kulturelle Bildung nahe zu bringen, muss keinem hehren missionarischem Sendungsbewusstsein entstammen, sondern tut Not angesichts knapper Kassen einerseits und andererseits einer immer ausschließlicher an leistungsorientierten, ökonomischen und technologischen Maßstäben begründeten Entwicklung einer Gesellschaft, deren „Entschleunigung“ und informelle Entmüllung nicht erst seit gestern gefordert wird.

Den Menschen zu bilden heißt mehr als ihn zum Mathematiker, Physiker oder Ingenieur auszubilden. Nur solches, und das unter ähnlich ökonomischen Entwicklungsbedingungen, kumulierte schon einmal in Bücherverbrennungen und einer Vernichtungsmaschinerie, deren Zahnräder „gebildete“ Ingenieure und Atomphysiker waren.

Denkprozesse anstoßen, Horizonte erweitern und Kreativität wecken

Es gilt – wie immer –, möglichst jeden mit Kunst und Kultur in Berührung zu bringen, um zu stimulieren, eigene Denkprozesse anzustoßen, Horizonte zu erweitern und Kreativität zu wecken. Dies schafft Perspektiven jenseits einer halluzinierenden Parallelwelt wertfreier TV-Sendungen, jenseits einer desorientierenden Überfülle von irrelevanten Schein- und Halbinformationen und jenseits von „Null-Bock“ als Antwort derer, die von Rendite- und Leistungsorientierung überfordert sind und sich einer solchen Gesellschaft entziehen.

Hierauf gibt es viele Antworten. Eine davon, vor Ort praktiziert, ist „artig“. Diese versteht sich als eine solche Initiative, um seinen Beitrag zum – wie beschrieben nicht in der alleinigen Verantwortung der öffentlichen Hand stehenden – Kulturangebot der Region zu leisten und dies innovativ wie vielfältig zu bereichern, und entstammt dem Willen und der Notwendigkeit, in der Gesellschaft Impulse setzende Kulturarbeit zu leisten.

Fließende Grenzen mit Event- und Markencharakter

Die neun Kunst- und Kulturtage der artig’09 waren ein erster großer wie erfolgreicher Schritt, Ort und Raum für Kunst und Kultur zu schaffen; weitere „artigs“ sollen und müssen weitere Schritte sein, um wieder solche Orte und Räume zu schaffen, auf denen die Grenzen fließen zwischen Gemälde und Musik, zwischen Fotografie, Bildhauerei oder Modedesign und Theater, das heißt zwischen den unterschiedlichsten Kunstsparten, Darstellungsformen, Stilrichtungen und Geschmäckern – sowie ebenso darüber hinaus

  • zwischen Jung und Alt
  • zwischen Tag und Nacht
  • zwischen Allgäu und der Welt (Aussteller/Künstler auch aus dem Ausland).
  • zwischen bekannten Künstlern und denen (noch) im Verborgenen
  • zwischen bunt und schwarzweiß, laut und leise, traditionell und innovativ.

Der zugrundeliegende Leitsatz lautet: Raum schaffen für Kunst und Kultur – und nicht Räume oder gar Schubladen singulärer Darstellungsformen und Veranstaltungen, die sich gegenseitig nicht befruchten, sondern für einen Mix ineinanderfließender Puzzlestücke, die sich zu einem Gesamtbild und Gesamterlebnis verquicken, den Besucher als aktiven Teil mit einbezieht und ihn bestenfalls dazu animiert, selbst Kunst zu schaffen – wobei ihn der artig e.V. schon durch seine Satzungszwecke unterstützen wird.

Dieser innovative Grundsatz schlägt sich auch im Stell- und Hängekonzept nieder: Es gibt keine messetypischen Einzelstände oder Inseln, die von Künstler A nach Künstler B abzulaufen sind, sondern in einem fließenden „Plaza et Strada“ werden die Exponate, falls sie nicht explizit zusammengehörten, gerne auch gemischt platziert, um ebenso miteinander im Dialog zu stehen.

Auch das Konzept eines modernen „Branding“, das heißt der markenorientierten Außenkommunikation einer präsenten Kulturmarke und damit auch der jugendgerechteren Bewerbung einer vermeintlich „langweiligen“ Ausstellung als Event mit vielen Zusatzangeboten zeigte Wirkung: Zum Beispiel vor und nach dem Konzert des bundesweit bekannten HipHop-Sängers und Lokalmatadors Rainer von Vielen zogen 18-Jährige durch die Ausstellung, suchten Gespräche mit den Künstlern zu Inspiration oder Technik, während einige 60- bis 70-Jährige den Klängen während des gesamten Konzertes lauschten.

Auch während der Ausstellung übertags wie bei Lesungen und Theatervorführungen brachte die artig’09 bis zu vier Besucher- und Künstlergenerationen mit unterschiedlichsten Interessen, Geschmäckern und Sichtweisen zusammen. Dieser Mix aus Rahmenprogramm und Ausstellung, das heißt die Veranstaltungen innerhalb der Kunstausstellung stattfinden zu lassen, ist ebenfalls Kernpunkt der Konzeptes.

Ein Ziel für die nächsten Jahre wäre, dieses Zusatzangebot und Rahmenprogramm auszubauen und um weitere Komponenten zu erweitern. So ist nicht nur die Zahl der Events zu erhöhen, sondern zusätzliche an Kinder und Jugendliche gerichtete kunst- und medienpädagogische Angebote einzuflechten – zum Beispiel  unter dem Arbeitstitel „artig interaktiv“ Workshops, Führungen speziell für Schulklassen oder ein Web-Blog von Jugendlichen während der Ausstellung. Hierzu braucht es natürlich mehr aktive Mitarbeiter, darunter aus der Jugendarbeit Pädagogen und Kunsttherapeuten.

Jedenfalls wurde und wird weiterhin auf all diesen Ebenen mit hohem Niveau konzeptioniert, um keinesfalls den Anschein eines Kunsthändler-, Kunstgewerbe- oder Kunsthandwerksmarkt zu erwecken, sondern eine kreative Plattform sowie eine museal-moderne Momentaufnahme des aktuellen Kunst- und Kulturschaffens zu bieten, das auch gerade in seinem Mix und seiner Vielfalt eine auf den Schultern von hoffentlich bald mehr Akteuren und Helfern getragene, leistungsfähige „Nenngröße“ schafft und damit eine optimale Attraktivität für alle Bevölkerungsteile eine Relevanz in der Außenkommunikation sowie für die Presseberichterstattung eine wirksame Plattform für Sponsoren sowie dadurch einen entsprechenden Etat für eine professionelle, hochwertige Präsentation und Ausstellungsarchitektur sowie effektive wie umfangreiche Kommunikationsmaßnahmen.

Mag die erste artig’09 vielleicht als ein „Testlauf“ zu sehen sein, es war ein äußerst gelungener, der über die Region hinaus – in seinen Konzepten von der Ausstellungsarchitektur über den Programm-Mix bis zur Kommunikation – seinesgleichen sucht und auf allen Seiten des Kultur- und Kunstbetriebes große Zustimmung erntete, die die bestenfalls förder- und spomsoringwürdige Notwendigkeit einer solchen Veranstaltung in den kommenden Jahren unterstreichen.

Auf diesem arbeitsreichen Weg für mehr Kunst und Kultur in unser aller Lebensumfeld hoffen wir auf Kunstfreunde und Kulturförderer, die die dieses noch junge, im Wachsen begriffene Konzept als Privatpersonen, Unternehmer oder Behördenleiter unterstützen und uns begleiten.

erschienen in: Magazin zur Ausstellung, Kempten, September 2010

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