Inge Wagner · ABENTEUER COLLGAGE · 14.4. – 14.5.23
Inge Wagner, gebürtige Berlinerin, lebt seit 43 Jahren in Kempten und ist auch noch an ihrem 101. Geburtstag aktiv schaffende Künstlerin. Ihr bewegtes Leben ist eng mit der Entwicklung ihres künstlerischen Mediums,…
…der Collage, verknüpft. In der Galerie Kunstreich zeigt die Künstlerin nun einen Querschnitt ihrer Schaffensphasen und damit die Genese ihres ganz eigenen originellen Ausdrucks. Man findet sowohl augenzwinkernd Karikaturhaftes, als auch Erinnerungen an dunkle Kriegswirren, aber auch eine Schaffenszeit der hellen, fröhlichen Blätter. In den letzten Jahren fokussierte Inge Wagner mehr multikulturelle und spirituelle Themen.
Als Kind nähte sie ihren Puppen lieber Kleider, anstatt mit diesen zu spielen, und im Jugendalter war sie eine passionierte Klavierspielerin. Während der damaligen Wirtschaftskrise, als der Vater seine Arbeit verlor, musste Inge Wagner vom Gymnasium abgehen und eine Ausbildung zur Modezeichnerin im Lette-Verein-Berlin beginnen. Zeitgleich machte sie jedoch ihr Abitur in Abendkursen nach, da sie Medizin studieren wollte. Durch Beginn des Krieges wurden viele Schulen geschlossen. Und damit endete bereits im 2. Semester ihre Ausbildung zur Modezeichnerin. Wie viele andere war sie gezwungen, Kriegsdienst zu leisten und musste für die Telegraphen- und Rüstungsindustrie technische Zeichnungen erstellen. Auf der Sachsenburg war sie als Lazaretthelferin eingesetzt. Als Inge Wagner 1946 heiratete, wusste sie nichts von der posttraumatischen Kriegsstörung ihres Mannes, auf Grund dessen sie den Lebensunterhalt alleine verdienen musste. Im ausgebombten, hungernden Berlin gebar sie im Dezember 1947 ihr erstes Kind, fünf Jahre später ihr zweites Kind. Mit dem Nähen von Kleidern hielt sie die Familie über Wasser. Die Schnitte dafür fertigte sie selbst an. Ihre Passion für das Schneidern, für Farben, Formen und (Stoff)-Strukturen half zu überleben. 1954 bekam sie als Schreibkraft beim Senat in Berlin eine Anstellung und arbeitete sich zur Sachbearbeiterin hoch im Renten- und Entschädigungsamt für Naziverfolgte.
Nachdem sie 1976 nach Konstanz umzog, entdeckte sie bei einem Ausstellungsbesuch im Züricher Kunsthaus die erste Collage. Noch am selben Abend entstand ihre erste eigene Collage und damit eine Faszination, die sie seither nie wieder losließ.
Dass die meisten ihrer Lebens-Pläne, Vorstellungen, Konzepte und Hoffnungen durchkreuzt wurden, kompensierte sie mit ihrem ungebrochenen Schaffenswillen des „Machens“ und mit ihrer Liebe für Rhythmus, Farben und Strukturen.
Heute findet der interaktive Schaffensprozess in ihren Collagen fast eine religiöse Dimension. Es existieren keine Konzepte. Inge Wagner lässt sich vertrauensvoll leiten von einem untrüglichen Gespür für Farben, Formen, Strukturen, Bildeinteilung und Tiefenwirkung. Jedes Blatt beginnt mit irgendeiner händisch ausgeschnittenen Abbildung aus einer Zeitschrift. Der Rest ist manchmal ein langwieriger, jedoch immer spielerischer Prozess mit surrealem Ausgang. Während dieser intuitiven Arbeit bleibt Inge Wagner eine gnadenlose Perfektionistin, was sich in ihrer Schnittführung oder den Klebestellen zeigt.
Fast unbarmherzig tüftelt sie bis zum letzten Papier-Fitzelchen an der Komposition, der Tiefenwirkung, der Farbverteilung, dem letzten Schliff oder dem i-Tüpfelchen im Bild.
Dabei ist ihre Gestaltungsfreiheit stark eingeschränkt, da sie nur über das ihr vorliegende Papier-Material ohne die vielfältigen Möglichkeiten einer digitalen Bildbearbeitung und Vervielfältigung verfügt. Inge Wagners Collagen sind Unikate, handwerklich gewobene Abenteuer aus 101 Jahren Erinnerung von Krieg, Frieden, Irrtum, Versuch, Liebe, Glücksmomenten, Zufriedenheit, Freude und Stolz. Jedes Blatt ist ein Stück der Seele dieser 101-jährigen Künstlerin.
Die Ausstellung ist eine Veranstaltung des Kulturamts der Stadt Kempten (Allgäu) und findet in Kooperation mit der Galerie Kunstreich statt.
Termine & Öffnungszeiten:
- öffentliche Vernissage: Fr. 14. April, 15 Uhr, Begrüßung 15:15 Uhr (bitte beachten: diese Vernissage findet nicht wie üblich um 20 Uhr statt)
- Öffnungszeiten bis einschließlich So. 14. Mai 2023: Dienstag 16 – 20 Uhr, Samstag und Sonntag 11 – 17 Uhr
- Der Eintritt ist frei(willig).
© Bild oben (Ausschnitt) + Plakat: Inge Wagner
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