Ein Preis von Künstlern für Künstler
Grußwort des artig-Vorsitzenden Stephan A. Schmidt zur Vernissage des artig-Kunstpreis 2018
Liebe – und ja, so sollte die Begrüßung hier und auf jeder Vernissage zu aller vorderst lauten – liebe Künstlerinnen und Künstler! Liebe 70 Künstler, die Ihr bei dieser jurierten Ausstellung dabei seid, und liebe 490 Künstler, denen wir absagen mussten, herzlich willkommen zu einer wunderbaren Ausstellung, die Eure ist. Denn sie wurde vor allem durch Eure Kunst sowie – und das kann man durchaus gleich zu Beginn sagen – Euren Teilnahmebeitrag möglich. Denn das wird viel zu oft als naturgegeben aus den Augen verloren.
Und liebe Kunstfreunde und Kunstgenießer, ebenfalls herzlich willkommen zu einer Ausstellung, die natürlich auch die Ihre ist. Denn Kunst geschieht immer zweimal: Einmal während ihrer Entstehung im Atelier des Künstlers, und einmal im Auge des Betrachters, ohne den sich Kunst immer nur „halb“ fühlen würde.
Diese sich alle zwei Jahre wie ein Füllhorn öffnende Ausstellung ist für uns eine ganz besondere: Einerseits durch das immense Vertrauen, das uns Künstler aus halb Europa entgegenbringen. Andererseits, weil wir damit eine „Schau“ zeigen können, die es nicht nur zahlenmäßig so in der Region nicht gibt, da sie weder herkunfts- noch gar verbandsgebunden ist. Zudem kann sie keinen faden Beigeschmack haben, da Organisatoren und Juroren nicht selbst in die Ausstellung oder gar auf’s Siegertreppchen kommen können.
Bereits vor vier Jahren, als wir den Preis erstmals ausschrieben, haben wir ihn als einen Preis von Künstlern für Künstler verstanden und auch so deklariert. Und ja, so stand es als Überschrift bereits im Katalog des Kunstpreises 2016 – und kann gerne so bleiben. Nun, nach 2014 und 2016 zum dritten Mal veranstaltet, hat sich das Gewicht dieses anfangs eher kleinen Preises sozusagen mehr als verdoppelt: 560 Künstler reichten online oder per Post insgesamt 1.080 Werke ein.
In dieser Vielfalt fanden sich viele tiefgehende, ideenreiche oder unkonventionelle Arbeiten wieder, aus denen man problemlos mehrere wunderbare Ausstellungen hätte zusammenstellen können.
In der Natur eines Kunstpreises liegt aber auch immer die Beschränkung: Wenn die Jury zu einem Ergebnis kommen und sich lange vor der Vernissage von manchem liebgewonnenen Werk verabschieden muss. Es fällt, auch weil viele von uns selbst Künstler sind, wahrlich nicht leicht, fast 500 Kollegen zu sagen: Du bist nicht dabei.
Die Preise, die wir nun an vier der nominierten Kunstschaffenden überreichen, sowie einiges mehr wie z.B. dieser Ausstellungskatalog, finanzieren sich weder aus dem (nicht vorhandenen) Sparstrumpf des artig e.V. noch einer anonymen Großspende, sondern wie anfangs erwähnt gerade auch aus den Teilnahmegebühren all der 490 Kollegen, die nicht in dieser Ausstellung vertreten sind.
Die daraus resultierenden Mehreinnahmen verpflichten und erlauben uns, erneut die Preisgelder anzuheben, und zudem einen weiteren, vierten Preisträger küren zu können. Somit vergeben wir dieses Jahr folgende Einzelpreise:
- artig Kunstpreis 2018, dotiert mit 2.500 € (statt 2.000)*
- artig Sonderpreis 2018 mit 1.500 € (statt 700)*
- artig Extrapreis 2018 mit 1.000 € (neu)
- artig Publikumspreis 2018 mit 1.000 € (statt 700, gestiftet von der Brauerei Clemens Härle aus Leutkirch)
*Kunstpreis und Sonderpreis beinhalten zudem je eine kostenfreie Ausstellung in der Galerie Kunstreich (Gegenwert ca. 1.000 € plus diverse ehrenamtliche Leistungen) sowie eine Übernahme von Transport- und Reisekosten des Künstlers bis zu 400 €.
Damit vergeben wir dieses Jahr nicht nur Preise im Gesamtwert von rund 8.800 Euro, sondern investieren auch unzählige Stunden ehrenamtlicher Arbeit für Organisation, Jurierung, Hängung, Umbau oder die Aufstellungsaufsichten. Dafür danke ich all unseren Mitgliedern, die ihre Freizeit für die Kunst gerne opfern, herzlich – und ich denke, dies darf ich gerne auch im Namen der Künstler und Besucher tun.
Halten wir kurz inne und lehnen uns zurück, um den Blick auf das Gesamte zu schärfen: Wir sind ebenso zufrieden wie überrascht, welch eine Bandbreite von den Themen bis zu den Stilen, Formaten und Techniken diese finale Auswahl hat, und wie weit die vermeintlichen Grenzen der Kunst ausgelotet sind, die – da die Kunst frei ist – eigentlich keine Grenzen haben dürfte.
2014 haben wir ein großformatiges, dunkles Landschaftsgemälde von Heng Li aus München mit unserem Kunstpreis ausgezeichnet, 2016 stand ein eher kleines, hinterleuchtetes Foto von Merlin Ortner aus Berlin im Rampenlicht, und bei den beiden Sonderpreisen eine Plastik aus Beton und Draht von Elsa Nietmann aus München sowie die altmeisterliche Portraitmalerei von Nils Franke aus Leipzig.
Dass wir den artig Kunstpreis 2018 nun an eine Videoarbeit aus München, den Sonderpreis an eine Videoinstallation aus Weimar und den Extrapreis an ein Gemälde wiederum aus München verleihen, macht ihn nicht berechenbarer (außer man möchte konstatieren, dass die Wahl bisher eher auf Gegenständliches als auf Abstraktes fiel). Und an dem Zufall, dass der Preis ungewöhnlich oft nach München geht, mögen sich Stochastiker abarbeiten – schließlich werden der Jury die Werke anonymisiert vorgelegt. (Tiefere Einblicke in die Juryarbeit bekommen Sie hier → )
Jedenfalls: Diese Bandbreite gestattet auch diesmal wieder einen Kunstvermittlungsauftrag, der einem möglichst offenen Kunstbegriff verpflichtet sein kann – und nicht nur intellektuelle Deutungshoheiten bedient. Hier kann sich der „ganz normale Mensch“ auch einfach nur erfreuen wie an schöner Musik für‘s Auge, und entdecken, was auch in einer unverkopften Kunst, die mitten im Leben stehen kann (und muss), alles möglich ist.
Mit diesen Worten wünsche ich Ihnen ein ebenso grenzenloses wie dennoch nicht lebensfremdes Kunsterlebnis!
Für den Vorstand und die Jury
Ihr Stephan A. Schmidt, Vorsitzender artig e.V.
Dieser Text erschien ebenso im Ausstellungskatalog zum artig-Kunstpreis 2018.
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