AMREI MÜLLER · Elfenbeinturm · 5.10. – 4.11.18
Mit Holz hatte Amrei Müllers Schaffen begonnen, inzwischen ist Beton ihr hauptsächlich verwendeter Werkstoff: eigentlich ein „kaltes“, starres bis hartes, uns aber täglich umgebendes und vor allem im urbanen Raum ständig präsentes Material.
Und vielleicht taugt es der Künstlerin gerade deswegen als adäquates Material für ein menschliches Abbild und als Herausforderung, dass diese Abbilder am Ende so viel lebendiger wirken, als man diesem Material zutrauen würde.
Die Augen ihrer Figuren haben in der Regel keine Pupille, sie fokussieren also das Gegenüber nicht und schauen durch einen hindurch in die Ferne. Dadurch sind sie zugleich physisch anwesend, wirken aber auch abwesend, entrückt, melancholisch und sehnsüchtig – und schaffen stets einen zeitlosen, weiteren Raum jenseits des greifbaren Ortes und des Betrachters.
Entrückt mag auch der Titel „Elfenbeinturm“ ihrer ersten Soloausstellung klingen, er kommt aber nicht von ungefähr: So sehr sie auch unterwegs sein mag oder Kunstkurse gibt, ihre Werke aber entstehen weit draußen in der ruhigen Bergwelt über Bad Hindelang in ihrer gedanklichen Eremitage, im Refugium ihres abgeschiedenen Ateliers.
In ihren Figuren findet sich das wieder: Sie überprüfen die Beziehung zu sich selbst und untereinander, sie vereinen die Gegensätze zwischen Abkapselung und in Verbindung treten, zwischen Zerstreuung und Fokussierung. Und zwischen vermeintlich kaltem Beton und Mensch. In seiner Herstellung und Oberflächenbearbeitung bedeutet dies konkret: Die Künstlerin arbeitet mit der sogenannten verlorenen Form, also der Negativform aus Gips. Deren Reste arbeitet sie heraus und verwendet sie weiter. Die Nahtstelle, die sich an den ursprünglichen Guss- bzw. Formteilen bildet, nennt sie Narbe, die sie nicht oder nur partiell „verschwinden“ lassen mag. Durch Kratzen, also dem Zufügen einer Art weiterer Narben, sowie dem Abschaben und Wiederauftragen des bereits verwendeten Gips findet dieses „verlorene“ Hilfsmaterial zurück ins Werk. Narben also bleiben, werden weitergetragen und verarbeitet – wie auch im Leben.
Ein Teil der Ausstellung ist ihrer Faszination für Kalligrafie gewidmet. Begegnen wir menschlichen Zeichen, schwingt immer – ebenso wie im pupillenlosen Blick – eine übergeordnete Information mit, selbst wenn wir eine Schrift nicht lesen können und die Leserlichkeit nicht im Vordergrund steht: Eine weitere Ebene entsteht, die zum Deuten und Erforschen lockt.
In Memmingen geboren, absolvierte Amrei Müller zunächst eine Ausbildung zur Holzbildhauerin in München und studierte dann 2008 bis 2013 an der Akademie der Bildenden Künste in München Bildhauerei bei den Professoren Nikolaus Gerhart und Olaf Nicolai. Seit 2013 arbeitet die freischaffende Bildhauerin in ihrem Atelier in Bad Hindelang.
Elfenbeinturm ist ihre erste Einzelausstellung. Dennoch kennt man ihre überwiegend aus Beton geschaffenen Plastiken aus zahlreichen Gruppenausstellungen in Deutschland und Österreich, z.B. in der Galerie Neuendorf in Memmingen.
Termine & Öffnungszeiten:
- öffentliche Vernissage: Fr. 5. Oktober 2018 um 20 Uhr, Begrüßung 20:15 Uhr
- Öffnungszeiten bis einschließlich So. 4. November 2018: Dienstag von 16 bis 20 Uhr und Samstag & Sonntag von 11 bis 17 Uhr
- Künstlergespräch mit Amrei Müller: letzter So. 4. November 2018, 15 Uhr
- Die Künstlerin ist zudem am So. 28. Oktober anwesend.
- Der Eintritt ist wie immer frei. So wie die Kunst.
Fotos von der Vernissage
Abbildung oben (Ausschnitt): „Milo“, Amrei Müller, 2018
Herzlichen Dank! Mit solchen Rückmeldungen macht die Arbeit gleich wieder mehr Spaß ;-)
Ich bin immer begeistert von Euren Ausstellungen, vor allem das Ambiente in diesem alten Gebaeude, es hat was eigenes